Seit einer Woche ist Hofmann nun
bereits zurück in London.
Fast verklärt blickt er zurück auf den
reizenden Aufenthalt bei Lord Ashburton in Hampshire und wie das oft im
nachhinein so ist, auch der wilde Ritt hat längst seinen Schrecken verloren. Er
muss sich sogar zugestehen, dass sich ein gewisser Stolz auf seine Leistung
bemerkbar macht.
Wenn er so über die Tage auf dem Landsitz
zurückdenkt, so muss er feststellen, dass sich seine Lebenserfahrung erweitert
hat.
Jetzt versteht er, warum die englische
Aristokratie so stark auf dem Lande verwurzelt ist und er bewundert die
englische Gastfreundschaft.
Selten haben weniger als 30 Personen am
Tisch Platz genommen, man ist sogar in der Lage bis zu 40 Gäste unterzubringen
in der Grange.
Was aber Hofmann besonders beeindruckt
hat, ist die Bewegungsfreiheit, die dem Einzelnen in diesem Anwesen gestattet
ist.
Man findet wohl kaum einen anderen Ort,
an dem man so in Ruhe seinen Gedanken nachgehen kann.
Bei der nächsten Einladung hierher würde
er in Ruhe eine Abhandlung ausarbeiten, das hatte er sich schon jetzt
vorgenommen.
Er musste an die vielen Einladungen in
Deutschland denken, die er angenommen hatte und bei denen er ständig gut
gemeinte Wohltaten über sich ergehen lassen musste. Man kam selten zu sich und
war unendlich glücklich über jede Mußestunde. In dieser Hinsicht konnte man von
den Engländern noch etwas lernen.
Zusätzlich zu dieser großzügigen
Gastfreundschaft herrscht bei den englischen Aristokraten ein Gemeinsinn, dem
kein Einsatz von Zeit und Geld zu groß ist. Dazu gehört ein enormer Kraftaufwand
allein zur Erfüllung der parlamentarischen Pflichten. Neben den endlosen
Sitzungen müssen sie nach Westminster gehen, um in den Committee-rooms zu
gehen. Dort überall begegnet man den Aristokraten, für die es keine Frage ist,
sich mit Engagement den Angelegenheiten der Bürger zu widmen.
Diese Arbeit setzt sich auch auf dem
Lande durch zahlreiche Korrespondenz fort, wie Lord Ashburton berichten konnte,
meist geht es um public business.
Neben seinem Amt als Chairman of the
Concil of the Royal College of Chemistry fördert er noch ein Dutzend weiterer
Institutionen nicht nur finanziell, sondern auch durch seinen klaren
Sachverstand.
Nach diesem Besuch hatte Hofmann schon
das Gefühl, dass gegenseitige Sympathie zwischen ihm und seinem Gönner ein
Ergebnis dieser Reise waren.
Ihm ging es sogar so, dass er ein wenig
Mitleid empfand. Er war nicht sicher, ob dieser Mann, der so viel Glück um sich
verbreiten konnte, für sich selbst das Glück gepachtet hatte. Lord Ashburton
war kinderlos, sein Titel, die herrliche Grange
und zahlreiche Anwesen übernehmen einst entfernte Verwandte.
Eines hat der Ausflug bei Hofmann auf
jeden Fall bewirkt, er ist wieder voller Tatendrang, ja , er könnte sogar sagen,
er hat eine Art Heißhunger auf ernste Arbeit bekommen.
Da er eine große Freude sowohl bei
seinen Vorlesungen als auch bei der praktischen Tätigkeit im Laboratorium
verspürte, wollte er sogar in diesem Jahr auf Teile der Ferienzeiten wie Ostern
und Pfingsten verzichten.
Dabei hatte er schon die Ausrufe seiner
Schwestern im Ohr:
„Was ist denn nur mit unserem sonst so
ferienbegeisterten Bruder geschehen?“
Hofmann musste bei dem Gedanken
schmunzeln, nichts galt für die Ewigkeit, auch seine momentane Arbeitswut
konnte wieder verfliegen. Er musste an die Ferienauffassung eines deutschen
Kollegen denken, der in seiner humorvollen Art einem Engländer nach dessen Frage
über deutsche Universitätseinrichtungen folgende Antwort gab:
„Das Semester ist eine unliebsame aber
zum Glück nur kurze Unterbrechung der Ferien.“
Heute aber war Hofmann eher nach
Shakespeare zumute, als dieser den Prinzen Heinrich zu dem Abenteuer in Rocherster sagen lässt:
If all the year were playing
holidays,
To sport would be as tedious as
to work:
But when they seldom come, they
wish`d for come
.
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