Mittwoch, 19. Juni 2019

Königin Victoria trifft W. Hofmann in Bonn




Die Begegnung von August Wilhelm Hofmann mit
Königin Victoria in Bonn ist belegt durch Ferdinand Tiemann:
(Ber. d. D. chem. Ges. 25, II, 3386 (1893).
Sie wird nachgestellt in dem wissenschaftlichen Roman "Hofmann".












Voller Inbrunst lauschte der erst 27 Jahre alte Privatdozent für Chemie an der Alma Mater Bonnensis der göttlichen Musik von Ludwig van Beethoven. Ein Konzert – seine Neunte - zu Ehren des Geburtstages des Musikers hier in Bonn vor 75 Jahren. Auf dem Münsterplatz hatten sie soeben sein Denkmal enthüllt. Vor ihm funkelte der herrliche Riesling im Glas, und Hofmann war zufrieden mit seinem Dasein. Den mutigen Wechsel von Gießen nach Bonn hatte er bislang noch nicht bereut, nur eines gab ihm doch immer wieder einen Stich. Er fühlte sich hier  ohne seine Braut Helene einsam. Doch für einen eigenen gemeinsamen Haushalt reichte das Geld noch nicht. Gerade einmal 12 Studenten hatte er in seiner Vorlesung über Agrikulturchemie, das brachte knapp  70 Taler im Semester.
Unentwegt musste er an Helene denken und wälzte sich vor Sehnsucht nachts im Schlaf. So konnte es eigentlich nicht weitergehen. Dabei hatte sein Schicksal ihm bereits wieder einen Fingerzeig gegeben. Er trug den speziellen Brief aus London immer noch in seiner Jacke, hatte aber seine Bedeutung noch nicht so recht erkannt. Sein Gönner Liebig steckte wohl dahinter, jetzt bot er ihm sogar einen Weg nach London an.
Hier in Bonn war er beruflich frei und konnte seine Forschungsambitionen weiter verfolgen. So ließ sich eines Tages beim Erhitzen von Steinkohlenteer Benzol nachweisen. Sofort kam ihm eine Idee im Hinblick auf Anilin. Dieses Thema hatte ihn nie losgelassen, er war dabei, einen Weg zu finden, das Anilin aus Benzol herzustellen.
Auch die Vorstellung, dass das Anilin vielleicht im Farbstoff Indigo enthalten sei, führte ihn gedanklich auf eine neue Fährte. Einen Farbstoff wie Indigo in der Retorte zu zaubern, das war doch gar nicht mehr so undenkbar!
Er trank das Glas Wein aus und machte sich etwas müde auf den Heimweg zu seinem Privatlabor im Hinterzimmer seiner Wohnung. In seinem Kopf entstand schon wieder eine neue Versuchsanordnung.
Hofmann hörte die Wohnungsklingel und reagierte etwas unwirsch. Wer mochte jetzt an der Wohnungstür stehen, wo er sich doch gerade  in seinen Laborraum zurückgezogen hatte, um ein wichtiges Experiment durchzuführen. Sein Forschergeist war geweckt und er wähnte sich auf der Spur der Muttersubstanz der Farben.
„Eine Zumutung", grummelte er vor sich hin und betrachtete das elegante Paar, das vor ihm stand.
„Verzeihen Sie die Störung, aber es zog mich mit Macht hierher. Auch ich habe vor Jahren hier als Student gewohnt, und meine Frau würde so gern einen Blick in diese Wohnung werfen, wenn Sie gestatten."
Völlig überrascht ordnete Hofmann seine Frisur, öffnete ein Fenster und glättete die zerdrückten Kissen und war zur Präsentation seines Labors bereit.Das Lächeln der Dame war entwaffnend und so machte Hofmann mit einer höflichen Geste die Tür zum Nebenzimmer frei.Zu seiner Überraschung hörte er von dort englische Laute, stand er doch gerade jetzt in Verhandlungen mit England über eine mögliche Berufung.So fragte er ein wenig neugierig:
„Erlauben Sie mir die Frage, kommen Sie  vielleicht aus England?"
Beide lachten spontan, was Hofmann etwas irritierte, was war an seiner Frage denn lächerlich?Der Herr konnte wohl seine Gedanken lesen und erwiderte:
„Wir bitten um Nachsicht, wir haben uns gar nicht vorgestellt, ich bin Prinz Albert von Coburg und dies ist meine Gattin Victoria, Königin von England.Wir kommen immer zum Beethoven-Festival nach Bonn und wohnen beim preußischen König auf Schloss Augustusburg zu Brühl."
Hofmann war wie vom Donner gerührt und wäre am liebsten in der Erde versunken. Wie verhält man sich gegenüber einer Königin,  die außerdem noch so hübsch aussah? Was bietet man an?
Doch sie erlöste ihn von seiner Verlegenheit, indem sie spontan zu seinen Apparaturen eilte und ihn neugierig fragte:
„Was machen Sie hier?"
„Ich nitriere Benzol, um Anilin herzustellen."
„Ich kenne kein Benzol!"
Hofmann gab eine Erklärung.
„Ich kenne kein Anilin!"
Hofmann gab eine Erklärung.
Er war begeistert, daß die Königin ein solches Interesse  an seiner Arbeit hatte.
Hofmann experimentierte und ließ Wasserstoff imStatus nascendieinwirken.
Auch das musste er erklären.
Es bildete sich das Anilin, der Geruch war unverkennbar.
Zwei braune Augen schauten ihn bewundernd an.
Hofmann wurde verlegen, es lag wohl an den braunen Augen der Königin.
Er dachte plötzlich an den Brief aus London, vielleicht sollte er sich intensiv damit befassen!