Samstag, 4. Juli 2015

Vanille auf Sansibar

Reife Vanilleschoten
Wilhelm war sehr neugierig auf die Plantagen seines Geschäftsfreundes Sultan Khalifa ibn Harub auf Sansibar.

Die 45 Plantagen lagen über die ganze Insel verstreut. Nur zwei davon hatten Paläste, sechs größere Landhäuser und die übrigen enthielten bloß Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude.
Wilhelm staunte doch sehr, als er hörte, dass auf den größeren Plantagen früher bis zu 500 Sklaven beschäftigt waren.

In langen Reihen waren die etwa mannshohen Vanille-Kulturen mit ihren leuchtend grünen Blättern angepflanzt und mit Netzen gegen die sengende Tropensonne geschützt. Die Ranke kletterte an kleinen Ziehbäumen empor und zeigte überall die typischen Luftwurzeln. Die Gewürzvanille Vanilla planifolia, eine Orchideenpflanze, hat ihren Namen vom spanischen Vainilla (kleine Hülse lat. Vagina), der zweite Teil des Artnamens, planifolia, bezieht sich auf die flachen Blätter (lat. planus = flach) und (folius = Blatt).

Am Rande der Plantage war noch Regenwald. Dort rankte die Vanillepflanze noch bis in die Baumwipfel, und die Bearbeitung war etwas schwerer zu bewältigen

Wilhelm beobachtete sehr genau, wie die Bestäubung geschickt manuell durchgeführt wurde. Überall sah er die gelblichen, angenehm duftenden Blüten, wobei eines der sechs Blütenblätter als Lippe ausgebildet war. In der Blüte trennte ein Häutchen die Narbe von den Staubgefäßen. Dieses Häutchen verhinderte sowohl eine Selbst- als auch eine zufällige Fremdbestäubung. Bei einigen Pflanzen, die offensichtlich schon vor einiger Zeit verblüht waren, hatten sich aus den Fruchtknoten bereits grüne Kapseln entwickelt.

Diese grünen Schoten mußten noch wachsen und reifen bis zur Ernte in einem halben Jahr, sie werden bis zu 20 Zentimeter lang und nehmen eine goldgelbe Farbe an. Sie müssen im richtigen Moment kurz vor dem Platzen gepflückt werden. Dabei wird jede einzelne Pflanze tagelang abgesucht, bis alle Früchte geerntet sind. Es ist ein langer Weg, bis aus den duftlosen, grüngelben Schoten die schokoladenbraunen Vanillestangen mit dem betörenden Aroma entstanden sind, die  seit Jahrzehnten nach Europa geliefert wurden.
Der genaue Zeitpunkt der Ernte ist sehr wichtig, erfuhr Wilhelm vom Sultan.
Aus einer zu frühen Ernte resultiert ein zu geringer Vanillin-Gehalt mit Schimmelbildung, eine zu späte birgt die Gefahr des Platzens der Kapsel mit Ernteverlust.

Wilhelm war der nächste Schritt der Weiterverarbeitung in Richtung Fermentation zwar geläufig, trotzdem interessierten ihn Einzelheiten.
Der Reifungsprozess wird durch eine Heißwasser-Behandlung gestoppt, dann werden die Schoten in Wolldecken verpackt. Sie schwitzen und trocknen zum Schluss in der Sonne.
Et voilà, die „Schwarze Königin“ ist entstanden.

Als sie anschließend in die große Halle zum Trocknen und Sortieren gingen, stockte Wilhelm der Atem. Eine derart schwere aromatische Duftwolke hatte er nicht erwartet, als er voller Begeisterung Tausende von gebündelten dunkelbraunen Vanilleschoten sah.

Der Sultan wandte sich an Wilhelm mit der Frage, wie sich wohl das Vanillin bildet bei dem Prozess.
Wilhelm erklärte ihm:
Das Vanillin ist in dem sogenannten Glucovanillin, einer Zuckerverbindung, enthalten. Bei der Fermentation erfolgt dann durch sogenannte Enzyme eine Spaltung in Glucose und das Vanillin.

Der Sultan war beeindruckt. Da erzeugt ein Fabrikant in Europa dieses Vanillin, also die gleiche Substanz in reiner Form aus seinen Gewürznelken durch einen chemischen Prozess. Und diese moderne Art der Erzeugung war keine Konkurrenz für ihn. Im Gegenteil, er hatte seine Vanilleexporte steigern können und die Gewürznelkenausfuhr war ein gutes Geschäft.











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