Er wußte, nur wenn die Säfte steigen, also zwischen Mai und Juli, kann die Fichtensaftgewinnung erfolgen.
"Aber um diese Zeit werden bei uns keine Bäume gefällt, sondern im Winter", meinte Tiemann.
„Das ist richtig, aber ich habe schon eine Lösung gefunden. Ich muss örtlich flexibel sein und dort hingehen, wo der Holzeinschlag im Frühling erfolgen muss, aufgrund der Höhenlage. Ich denke da z.B. an den Thüringer Wald.“
„Ein zweites und noch größeres Problem ist in meinen Augen der geringe Coniferinanteil im Fichtensaft. So lassen sich aus einer Fichte, die 20 Meter lang ist, nur etwa ein Liter Cambialsaft gewinnen, das entspricht einem Anteil von 4 Gramm Coniferin. Oder anders ausgedrückt, für 1 Kilogramm des begehrten Coniferins müssen 250 Fichten entsaftet werden.“
„Wegen der vielen Bäume mache ich mir keine Sorgen, denn die werden für den Holzbedarf sowieso eingeschlagen, die Saftgewinnung ist schließlich nur ein Nebenprodukt.
Aber jetzt musste er erst einmal eine Reise in den Thüringer Wald organisieren.
Es war schon ein seltsames Schauspiel, was sich dann im Frühjahr 1874 auf einer Lichtung im Wald bei Oberhof abspielte.
25 Frauen arbeiteten wie besessen an Baumstämmen mit Löffeln und Schwämmchen, schwätzten dabei abwechselnd und sangen Volkslieder, und zwischendurch klapperten ihre Blechtöpfe.
In der Mitte trohnte Wilhelm an einem Lagerfeuer mit dampfendem Kessel und rauchte eine Zigarre.
Wanderer vom Rennsteig rieben sich die Augen und konnten sich keinen Reim daraus machen. Was für ein seltsames Schauspiel. Sie konnten nicht ahnen, dass dort im Kessel die Existenzgrundlage für eine zukünftige chemische Fabrik brodelte.
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